Kultur
   8 Jahre
Foto: Kirsten Lilli ©2016

Daddy of the Teddy im inqueery-Interview

Filmemacher sollten also besser in ihrem Testament vermerken, was mit ihren Filmen passieren soll?

Wieland Speck: Ja richtig, oder dass man das dann der nationalen Kinemathek vermacht zum Beispiel. Als queere Filmarbeiter haben wir ja auch viel Arbeit in diese Werke reingesteckt, wenn wir sie hier präsentiert haben, und betrachten sie daher natürlich als historisches Allgemeingut / Wert-Element. Und das geht nicht, dass man das alles wieder umdreht, und den Leuten noch ein Kreuzchen auf den Grabstein malt, obwohl sie nie christlich waren.
Das ist die Queer Academy. Und wir wollen in Zukunft noch mehr als bisher mit Universitäten zusammenarbeiten. Wir haben die Amerikaner da mal wieder als pragmatische Vorreiter, die da schon Ungeheures geleistet haben.  Wir haben dadurch allein 3 Filme des Teddy30-Programmes restauriert bekommen. Darunter den ältesten und ersten schwulen Film, den es überhaupt gibt, in der Filmgeschichte: „Anders als die Anderen“ von 1919: In Berlin gedreht, gerade mal ein Jahr lang frei gewesen. 1920 hat die Weimarer Republik ihr Zensurgesetz aufgelegt und hat den Film eingestampft. Den Originalfilm hat man nicht, aber mehrere Restaurierungen. Die letzte Restaurierung ist von der UCLA Los Angles, die in Zusammenarbeit mit dem Outfest, dem dortigen und einem der ältesten schwul-lesbischen Filmfestivals weltweit, das Legacy Project macht. Dieses Projekt, die Geschichte der queeren Filmkunst zu bewahren, hat schon einige Filme restauriert. Bei der Queer Academy gab es eine Lecture zu diesem Projekt, und eine wichtige Frau vom Outfest ist in unserer Jury. Und so arbeiten wir da zusammen und versuchen die Inhalte aus verschiedene Kulturhintergründen so zusammenzufinden, so dass sich das befruchtet.

Wie kam es eigentlich, dass die Teddy-Jury sich aus den Programmern der queeren Filmfestivals weltweit zusammensetzt?

Wieland Speck: Das war von Anfang an der Charakter der FilmarbeiterInnengruppe, die sich im schwulen Buchladen Prinz Eisenherz in den frühen 80iger Jahren anläßlich der Berlinale zusammengefunden hat, um nachts schwul-lesbische Filme zu sehen und zu diskutieren.  Damals hatten wir die Idee mit dem queeren Preis, der das Augenmerk der Mainstream-Medien auf den queeren Film lenken sollte. Denn wir selber haben ja schon hingekuckt. Wir brauchten da also vor allem das Vervielfältigungs- und Wahrnehmungs-, das Sichtbarkeitselement der Medien, die sich da sonst nicht hinbewegt haben.  Diese Gruppe, die nachts diese Filme gesehen haben, die wichtig für die Subkultur waren, habe ich am Ende des Festivals 1987 gefragt, was sie für die wichtigsten Filme gehalten hätten. Und dabei kam eben der erste Spielfilm von Pedro Almodovar raus, den er international gezeigt hat, und der Teddy war dann auch sein erster Preis. Das hat ihn auch sehr gefreut. Den Kurzfilm-Teddy bekam Gus Van Sant, den damals auch noch kaum jemand kannte, aber bei uns schon, denn wir hatten schon zwei Jahre davor, seinen ersten Langfilm gezeigt. Das war der Kick-Off. Im nächsten Jahr haben wir gleich von Anfang an gesagt, dass alle Leute, die mindestens 90% der Filme gesehen haben, abstimmen oder darüber diskutieren können, an welche Filme die Teddys gehen sollen. Da gab es dann auch schon die erste Verleihung, damals noch im schwulen Zentrum Schwuz, das aus der HAW hervorgegangen war, dem Urzentrum der Schwulenbewegung.  Und so ging es dann weiter. Irgendwann wollten und mussten wir dann raus aus der Schwulen-Nische und haben dann wichtige legendäre Veranstaltungsorte dieser Stadt mit dem Teddy besetzt - könnte man sagen. Im Kant-Kino, das ein Punktempel war, im SO36, im Quartier Latin, das ein wichtiger Ort aus der 68er-Revolte war, im Dschungel, der glamourösesten Diskothek der Stadt, also ganz unterschiedliche Orte, und haben dort den Teddy gefeiert. Und diese Feiern waren tatsächlich das Neue daran, denn das war ja noch bevor das Party-Rad in den 90iger Jahren neu erfunden wurde. Man hatte dadurch ein Ereignis, das zwar schul-lesbisch hieß – damals hat man noch nicht queer gesagt – aber eben auch Heteros anzog, überhaupt alle möglichen unterschiedlichen Leute, vor allem auch unterschiedliche Altersgruppen. Das ist heute auch noch so. Eine Varietät an Menschen, die Du so wahrscheinlich auch auf keiner anderen Veranstaltung der Berlinale, oder auch unterm Jahr überhaupt, treffen wirst:
Absolut international, sämtliche sexuellen Orientierungen, die man sich denken kann, sämtliche Altersgruppen, und da international, auch alle Hautfarben. Das ist schon etwas Besonderes, dieser Brückenschlag, den da eine Minderheit mit den Teddy-Parties geschafft hat, indem sie sich einfach offen, und glamourös und einladend gab.

(Wir müssen beide erfreut auflachen.)
Haben die Teddys dann auch die Wirkung, dass die
ausgezeichneten Filme danach von einem größeren Publikum gesehen werden? 

Wieland Speck: Das ist ganz unterschiedlich. Das ist wie bei den goldenen und silbernen Bären auch.  Im einen Jahr hebt der Film ab, wie sonst was, und alle freuen sich, und im nächsten Jahr wird der goldene Bär an einen Film vergeben, und keiner kuckt hin. Natürlich ist das das Ziel, aber ob das nun wiederum erreicht wird, hängt wiederum von vielen Faktoren ab.
Ein Beispiel dafür ist der Film, den wir dieses Jahr als Carte Blanche von der Produzentin Christine Vachon zeigen. Sie bekommt dieses Jahr den Special Teddy Award für ihre Verdienste als eine der ganz wichtigen Produzentinnen des amerikanischen independent und queeren Kinos („Boys don´t cry“, „Carol“, etc) und sie hat sich von den von ihr produzierten Film „Hedwig And The Angry Inch“ gewünscht. Das ist ein großartiges Berlin-Amerika-Musical, das sehr erfolgreich als Off-Broadway Theaterstück in N.Y. lief, geschrieben und in der Hauptrolle gespielt von dem Sohn, des damaligen Befehlshabers der amerikanischen Streitkräfte in West-Berlin, der also in Berlin aufgewachsen und hier schwul geworden ist in der Punk-Zeit, und diese Elemente alle zusammenbringt. Die Geschichte handelt von einem ostdeutschen Jungen und einem amerikanischen Soldaten, die sich verlieben und die heiraten, indem der ostdeutsche Junge einen Sexchange macht und den Namen der Großmutter annimmt, nämlich Hedwig, und dann landet er in einem  Trailerpark in Amerika, und die große Freiheit sieht doch recht schäbig aus. Das ist ein großartiges Erzählstück, auch in der Regie des Autors und Hauptdarstellers. Dieser Film wurde ein riesiger Erfolg auf der Berlinale im Panorama, gewann den Teddy, und der Verleih hat den Kinostart total versemmelt. Dieser Film ist in Deutschland nie richtig rausgekommen, obwohl wir hier eine Steilvorlage geliefert haben. Das ist wirklich einer der Tiefpunkte in meiner Karriere gewesen. Deshalb zeige ich den auch besonders gern bei anstehenden Retrospektiven: Es ist ein riesiger Spaß. Und die Leute, die ihn kennen, kommen alle nochmal, und singen mit. Das ist quasi die Rocky-Horror-Picture-Show der Spät-90iger Jahre.

Da wäre es ja interessant ein Teddy-Paket auf die Reise zu schicken?

Wieland Speck: Ja, klar, sowieso. Aber das muss man natürlich organisieren, finanzieren, sonst was. Und wir sind hier bis über alle Haarwurzeln beschäftigt damit, den Dampfer hier zu steuern.
Machen wir aber. Beispielsweise wird es im März in Paris ein Paket aus über 20 Teddy-Filmen geben, mit Filmen, die wir dieses Jahr gezeigt haben, und Teddy-Gewinnern. So was passiert schon immer wieder: Goethe-Institute und andere queere Filmfestivals nehmen das Programm auf.
Die Teddys sind auf der Berlinale selbst keine Reihe, sondern alle Filme, die von queerem Interesse sind, aus egal welcher Sektion, finden sich auf der queer list und können einen Teddy bekommen.

Wie können Interessierte Filme der queer list sehen,
wenn sie sie auf der Berlinale verpasst haben und sie nicht ins Kino kommen?

Wieland Speck: Man kann sich bei uns auf der website teddyaward.tv schlau machen und auf der berlinale.de Seite die Adressen der jeweiligen Weltvertriebe herausfinden, und bekommt dann mit ein paar Klicks die nötigen Informationen, über die man einen Film als Publikum auch mal selbstorganisiert zeigen kann.
 

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