Kultur
   13 Jahre
Foto: Michael Blesser

Michas ESC-Tagebuch, Teil 1

Dass ich das noch erleben darf: Der Eurovision Song Contest findet nach 28 langen Jahren endlich wieder in Deutschland statt - Lena Meyer-Landrut sei Dank! Also setze ich mich (als gestandener Berliner) in den Zug nach Düsseldorf, um das Ereignis nicht zu verpassen. Irgendwie schon merkwürdig: Bei meinen letzten acht ESCs bin ich fast immer in eine europäische Hauptstadt geflogen. Diesmal geht es aber in eine Hauptstadt der anderen Art – in die von Nordrhein-Westfalen. Für mich heißt das "back the roots", schließlich bin ich vor neun Jahren von NRW nach Berlin gezogen.

Voller Spannung also steige ich aus dem Zug, lasse mich nur noch eben schnell mit dem Taxi zur Unterkunft fahren, dann geht’s direkt weiter zur Esprit Arena. Überraschung: An der Endstelle der U78 findet sich kein Hinweis auf das Mega-Event. Ein paar Banner mit dem offiziellen Logo, das war's. Keine Wegweiser, die zur Halle oder zum Pressezentrum führen. Auch kein Mensch da, dem ich unauffällig folgen könnte. Stattdessen folge ich meinem Instinkt. Und, siehe da, nach etwa 250 Metern erkenne ich einen Container mit dem Akkreditierungsbüro - jetzt wird es also ernst. Die freiwillige Helferin, "Volunteer" genannt, überreicht mir nicht nur eine Zugangskarte für die heiligen Hallen, sondern ebenso eine Tasche mit zahlreichen Informationen.

Weiter geht's zum Pressezentrum. Aha, Sicherheitskontrolle wie am Flughafen? Letztes Jahr in Oslo gab es überhaupt keine Kontrollen - Norwegen scheint wohl kein interessantes Terrorziel zu sein. Hier in Deutschland sitzt der Stachel von München 1972 aber wohl noch sehr tief. Und außerdem nimmt ja auch Israel teil, da müssen gerade wir besondere Vorsicht walten lassen! Nach erfolgreicher Kontrolle ohne Beanstandungen stehe ich also im riesigen Pressezentrum - das größte, das es je bei einem ESC gab. Gott sei Dank, wenigstens hiermit haben wir uns nicht blamiert!

Schon kommt mir der erste bekannte Fan entgegen: "Hallo, wie geht's? Schön dich zu sehen! Wann bist du angekommen?" Küsschen links, Küsschen rechts. "Du, wir sehen uns ja morgen noch. Bis dann!" Kaum verabschiedet, kommt mir auch schon das nächste bekannte Gesicht ins Blickfeld, diesmal aus Holland. "Hello, nice to see you. When did you arrive?" Küsschen links, Küsschen rechts, Küsschen links. In Holland macht man das so. Und bei Niederländern kann immer Eindruck schinden, wenn man sich das gemerkt hat.

So, nächste Station "Pigeon Hole" - so nennt man die Postfächer, die jeder Journalist bekommt. Darin finden sich in aller Regel Informationen und vor allem tolles, tolles Promomaterial. Zuvor muss ich mich am Infostand melden, der mir eine Postfachnummer zuteilt. Spannung, Spannung, Sp... Enttäuschung. Nummer 2041. Hohe Postfachnummer bedeuten üblicherweise, dass man mit Material nicht gerade zugeschüttet wird, da mit der Verteilung in der Regel von "1" aufwärts begonnen wird und irgendwann zwischen 1596 und 2015 nichts mehr übrig ist.

Ich fahre zurück zu meiner Unterkunft. Auf dem Weg dorthin mache ich noch einen kleinen Abstecher in die Düsseldorfer Altstadt. Und siehe da: Jeder Zweite läuft mit der gleichen gelben "Pigeon-Hole"-Tüte wie ich herum. In dieser wirklich hässlichen und unangenehm riechenden Tüte befindet sich so tolle Gimmicks wie eine aufblasbare, gelbe Perücke - Dinge also, die die Welt nicht braucht. Während des Bummels durch die Altstadt bemerke ich ein Geschäft mit diversen Flaggen für gerade mal 2 Euro das Stück. Gut zu wissen, ich nämlich habe meine Fähnchen in Berlin vergessen. Auf dem Marktplatz gäbe es zwar noch das Eurovision Village (ein Bereich mit einer Bühne und mehreren Info- sowie Merchandise-Ständen) ausführlich zu erkunden, ich beschließe jedoch, dass ich fürs Erste genug gesehen habe und heute besser früh ins Bett gehe. Morgen wird ein harter Tag!


Michael Blesser ist Mitglied im Eurovision Club Germany e.V. und für uns unterwegs in Düsseldorf.

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